Württembergische Einzelmeisterschaft in Bisingen (31.08.-08.09.2013)

(Bericht von Michael Schwerteck)


Endstand Meisterturnier (14 Teilnehmer, 9 Runden Schweizer System):

Rg.

Teilnehmer

TWZ

Verein

Punkte

Buchh

1.

Kabisch, Thilo

2264

SK Schmiden/Cannstatt

6.5

42.0

2.

Reimche, Vadim

2072

SF Ravensburg

6.5

41.0

3.

Latzke, Boris

2244

SK Bebenhausen

6.0

41.0

4.

Schmidt, Martin

2053

SG KK Hohentübingen

5.0

39.5

5.

Gibicar, Danijel

2149

SK Bebenhausen

4.5

41.5

6.

...

Engelhart, Achim

2103

SAbt Post-SV Ulm

4.5

41.5


Endstand Kandidatenturnier (18 Teilnehmer, 9 Runden Schweizer System):

Rg.

Teilnehmer

TWZ

Verein

Punkte

Buchh

1.

Schwerteck, Michael

2088

SG KK Hohentübingen

6.5

49.5

2.

Fuß, Klaus

2077

SG Turm Albstadt

6.5

48.5

3.

Andreev, Vlad

2014

SF Pfullingen

6.5

45.5

4.

Dreyer, Andre

1916

SV Balingen

6.0

46.5

5.

Hollstein, Günter

1986

SC Bisingen-Steinhofen

5.5

46.5

6.

...

Keller, Joachim

1888

SV Tübingen

5.5

41.0


Das gefürchtete Duo M&M war mal wieder unterwegs und machte die württembergische Schachszene unsicher, diesmal in Bisingen (zwischen Hechingen und Balingen gelegen, eine halbe Autostunde von Tübingen entfernt). Der kleine, aber engagierte Verein SC Bisingen-Steinhofen hat sich schon durch die Veranstaltung diverser Lanka-Trainings einen Namen gemacht und stemmte nun erfolgreich auch die Organisation der WEM. Beim örtlichen Kleintierzüchterverein wurde ein angemessener Spielsaal gefunden. Ein ansprechendes Rahmenprogramm gab es auch, z.B. Ausflüge ins Umland oder Training mit Zigurds Lanka, der in der ersten Turnierhälfte vor Ort war und u.a. an zwei Abenden Partien aus dem Turnier kommentierte. Ein bisschen enttäuscht waren die Veranstalter allerdings von der schwachen Beteiligung. 32 Teilnehmer insgesamt sind nicht gerade viel und es bleibt dabei, dass viele württembergische Spitzenspieler (sagen wir mal: DWZ > 2200) trotz des ordentlichen Preisfonds kein Interesse haben. Dass „die Besten Württembergs“ versammelt seien, wie der Bisinger Bürgermeister in seiner Ansprache behauptete, war nur sehr begrenzt richtig. Die Gründe für dieses immer größere Desinteresse versucht der Verband nun in einer Umfrage zu ermitteln. Gut möglich, dass der Modus bald verändert wird (z.B. durch Verkürzung), auch wenn die Stammgäste mit dem Turnier zufrieden sind, so wie es ist.


Martin und ich hatten uns klugerweise das Revier aufgeteilt, um uns nicht gegenseitig die fetten Geldpreise wegzunehmen. Ich überließ dem Jüngeren den Vortritt im Meisterturnier, wo er nach DWZ etwa in der Mitte des Teilnehmerfeldes lag (auffällig viele Spieler hatten übrigens schon mal deutlich höhere Zahlen). Für die kommende Saison war dies sicherlich ein gutes Aufwärmprogramm, denn die Gegnerschaft lag ungefähr in dem Bereich, wie sie auch in der Verbandsliga zu erwarten ist. Die Tauglichkeitsprüfung wurde dann auch bestanden, um es mal so zu sagen. Wer sich für die Details interessiert, ist herzlich eingeladen, sich die Kommentare im Köki-Blog zu Gemüte zu führen und/oder alle Partien auf der Turnierseite nachzuspielen. Hier ein Schnelldurchgang durch Martins Turnierverlauf: Einem Sieg gegen Jürgen Muschkowski und einer Niederlage gegen Titelverteidiger Andreas Reuß folgte eine Serie von drei umkämpften Remisen, bevor ein Rückschlag in Form einer unnötigen Niederlage (Patzer in ausgeglichener Stellung) gegen Kevin Narr erfolgte. Nach einem Sieg gegen Thomas Imhof kam der Höhepunkt des Turniers: Boris Latzke wollte kein Remis und wurde kurz darauf sehenswert per Turmopfer abserviert. Zum Schluss gab es noch eine Punkteteilung mit dem Turniersieger Thilo Kabisch, wonach sich die 5/9 (etwas überraschend) sogar als ausreichend zum ungeteilten vierten Platz erwiesen, der immerhin noch mit 250 Euro dotiert war. Insgesamt eine mehr als respektable Leistung!

Ein paar Worte noch zum Kampf um den Turniersieg: Reuß brach nach 2/2 völlig ein und war bald aus dem Rennen. Als ernsthafte Anwärter auf den Titel kristallisierten sich Kabisch, Latzke und Überraschungsmann Vadim Reimche heraus. Letzterer hat seit meiner Kritik von 2009 seine miserable Endspieltechnik nicht spürbar verbessert, gefiel dafür aber mit stets kämpferischem Spiel und guten taktischen Einfällen. Nachdem Latzke von Martin ausgebremst wurde, holte Kabisch nach Buchholz den Titel und Reimche sicherte sich (trotz DWZ unter 2000!) den zweiten Qualifikationsplatz zur Deutschen Meisterschaft. Die beste Unterhaltung bot freilich der Lauffener Frank Amos, der mit seinem optimistischen Stil immer wieder die Kiebitze an sein Brett zog. Der Gipfel war seine völlig verrückte Partie gegen Patrick Höglauer, in der eine haarsträubende Königswanderung letztlich sogar von Erfolg gekrönt war. Diese Partie wurde anscheinend auch von Harald Keilhack in der „Stuttgarter Zeitung“ süffisant kommentiert („mehr Unterhaltsamkeit als Klasse“). Worauf prompt die Empfehlung aufkam, Keilhack möge doch selber einmal mitspielen...


Und nun zum Kandidatenturnier, das, ohne irgendwen beleidigen zu wollen, diesmal besonders lausig besetzt war. Wenn eine Pappnase wie ich die Nr. 1 der (Elo-)Setzliste ist, kann dies nichts Gutes bedeuten. Obwohl zumindest für Freiplatzanträge eine theoretische Untergrenze von 1900 DWZ gilt, darf inzwischen de facto jeder mitspielen. Dies führt auch dazu, dass kaum noch jemand einen Grund sieht, an den Bezirksmeisterschaften teilzunehmen, über die man sich ja eigentlich qualifizieren sollte. Irgendwas müsste man sich vielleicht doch einmal überlegen, damit die Angelegenheit noch annähernd etwas mit württembergischem Spitzenschach zu tun hat und nicht zur Farce verkommt.

Für mich kam jedenfalls kaum ein anderes Ziel als der Turniersieg in Betracht, wobei auf dem Papier Roland Mödinger (mit zwei DWZ-Pünktchen mehr) mein stärkster Konkurrent war. Dieser ging allerdings à la Reuß böse unter und fand sich zwischenzeitlich mit 2/6 erst einmal am letzten Brett wieder. Ganz so einfach war das Turnier dann doch nicht! Ich konnte ähnliche Unfälle zum Glück vermeiden und sammelte nach der bewährten russischen Devise „mit Weiß gewinnen, mit Schwarz remisieren“ solide meine Punkte. Mein Drittrundensieg gegen den Turnierorganisator Günter Hollstein wurde von Lanka sogar als „brillant“ bezeichnet. Im Grunde ein verkapptes Eigenlob, da ich nur den großmeisterlichen Empfehlungen folgte... Als besonders wichtig erwies sich mein Sieg gegen Vlad Andreev (5. Runde), der ansonsten sehr manierlich spielte und mich nach Punkten noch einholte. Im Übrigen war Turnierleiter Klaus Fuß mein härtester Rivale, vor allem nachdem er mir aus dubioser Stellung ins Remis entwischte. Kurioserweise (immerhin spielte ich durchweg an Brett 1!) hatte Fuß lange Zeit die bessere Buchholz, aber gerade noch rechtzeitig tauchte mein „Buchholzpferdchen“ Mödinger auf wie Phönix aus der Asche und bescherte mir den entscheidenden Wertungspunkt (das Preisgeld wurde allerdings geteilt, d.h. je 200 Euro für die drei Punktgleichen). Letztlich war also auch ein bisschen Glück im Spiel, aber ich würde mich trotzdem zu der unbescheidenen Behauptung versteigen, dass mein Sieg verdient war und ich insgesamt das sauberste Schach gezeigt habe. Entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten hatte ich im ganzen Turnierverlauf keinen einzigen gravierenden Fehler zu verzeichnen (abgesehen von einer verpassten Chance hier und da) und ich war auch nie in konkreter Verlustgefahr. Die neue Fischer-Bedenkzeit scheint mir entgegenzukommen, auch wenn ich immer noch nicht verstehe, warum man uns im Vergleich zum gewohnten Modus 10 Minuten „geklaut“ hat.

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass das ganze Turnier in angenehmer, freundschaftlicher Atmosphäre stattfand und vollkommen frei von Protestfällen oder sonstigen Streitereien blieb. So muss es sein!


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