Verbandsliga, 9. Runde: SG KK Hohentübingen – SV Nürtingen 2.5:5.5

Pleite im Kellerduell

Um hier gleich die Verschwörungstheoretiker zu beruhigen: Die Hohentübinger Erste ist nicht mit Absicht in die Landesliga abgestiegen, um die dorthin „geflüchtete“ Bebenhäuser Zweite zu ärgern – auch wenn das punktgenau passende Ergebnis und die Partieverläufe verdächtig danach aussehen. Nein, ganz normale Dummheit war daran schuld, dass es in der letzten Runde nicht gelang, die machbare Aufgabe zu lösen. Die Ausgangslage war klar: In diesem Match wurde der dritte Absteiger ermittelt, wobei die Königskinder sich sogar eine 3:5-Niederlage erlauben konnten. Im Nürtinger Keller (die Hepper-Halle war wieder nicht verfügbar) war allerdings nicht nur der Austragungsort unterirdisch, sondern auch schachlich lief so gut wie gar nichts zusammen. Wer so spielt, hat es einfach nicht verdient, da muss man sich jetzt auch nicht mehr den Kopf zermartern, wo man den fehlenden halben Brettpunkt hätte holen können oder müssen.

Mit aggressivem Spiel der Nürtinger musste man natürlich rechnen, daher war es nicht sehr überraschend, dass Martin Schmidt (3) von Stefan Auch mit einem alten, etwas unsauberen Gambit konfrontiert wurde. Martin kannte die Theorie nur vage und fand am Brett nicht die allerbeste, aber immerhin eine spielbare Fortsetzung. Am Ende musste der Gegner, der schon eine Figur geopfert hatte, Dauerschach geben. Im Prinzip alles bekannt; so ähnlich hat es im 17. Jahrhundert auch schon Herr Greco mit Friedrich I. (dem Vorläufer von Fritz) analysiert. Nur für den Gegner überraschend war, dass auch Lauritz Jansen (5) ebenso unsauber wie messerscharf auf Gewinn spielte, obwohl mit Schwarz in dieser Matchsituation ein solider Aufbau näher gelegen hätte („so spiele ich halt“). Das Ergebnis gab ihm recht, denn Michael Doll ließ sich in objektiver Gewinnstellung von der Vielzahl gut aussehender Möglichkeiten tatsächlich verwirren und lief in einen Konter, der ihn selber ins Matt führte. Jetzt fehlten nur noch 1,5/6 und alle Weißpartien liefen noch, da musste es doch mit dem Teufel... Aber genau das tat es auch. Dass Jörg Jansen (6) gegen Klaus-Dieter Templin den Überblick verlor und nach ein paar übersehenen Zügen die Waffen strecken musste, wurde noch als harmloser Betriebsunfall verbucht. Schlimmer war, dass Karsten Neurohr (2) gegen Dirk-Achim Kukofka in ruhiger Stellung plötzlich den soliden Pfad der Tugend verließ und sich in Verwicklungen stürzte. Dies spielte nur dem Gegner in die Karten, der dadurch ohne Materialnachteil Angriffschancen und einen gefährlichen Freibauern bekam. In der Tat stand bald die nächste Null im Spielbericht. Nicht gerade risikofrei spielte auch Jonathan Reichel (4), allerdings traute sich sein Gegner Matthias Kill nicht, ein unklares Figurenopfer zu erzwingen. Danach stand Jonathan positionell besser, spielte aber nicht sehr überzeugend weiter und musste am Ende sogar noch aufpassen, um wenigstens einen halben Punkt mitzunehmen. Nach der Devise „warum einfach, wenn's auch kompliziert geht“ schien auch Matthias Hönsch (1) gegen Gerd Aring verfahren zu wollen. Ein klassisches Turmendspiel mit Bauer weniger (anfänglich mit 3:4 Bauern am selben Flügel) verteidigte er nicht gerade so, wie es im Lehrbuch steht, aber remis wurde es nach 102 (!) Zügen schließlich trotzdem. Beim Stand von 2,5:3,5 musste jetzt noch irgendwie ein Remis her – leichter gesagt als getan! Bernd Staufenberger (8) hatte gegen Stefan Gold lange Zeit eine sehr solide, eher leicht bessere Stellung, aber vielleicht hatte er bei Matthias' freitäglicher Lektion über „losing safe positions“ etwas missverstanden, jedenfalls kam es genau so, wie es nicht kommen durfte. Auf einmal war ein mieses Endspiel auf dem Brett, das Bernd nicht mehr retten konnte. Somit lag die A-Karte bei Kai Schumann (7), der gegen Thomas Hanak nach zähem Spielverlauf immer noch eine komplexe Stellung mit vielen Figuren auf dem Brett hatte. Objektiv war wohl alles noch ganz okay, aber psychologisch hatte Nürtingen schon Oberwasser und man kann verstehen, dass bei Kai nun die Nerven flatterten. Sein gesundheitlich und schachlich angeschlagener Teamchef, der angesichts des personellen Überangebots lieber als Zuschauer mitfuhr, hielt es schon längst nicht mehr aus und guckte gar nicht mehr hin. Was zum Schluss genau passierte, kann hier deshalb nicht beschrieben werden, jedenfalls ging auch diese Partie am Ende noch – irgendwie lag es schon in der Luft – den Bach runter. Damit zog Nürtingen auch nach Brettpunkten gleich und war wegen des gewonnenen direkten Vergleichs gerettet. Zur Ironie des Schicksals gehört, dass der Schreiber dieser Zeilen die WTO-Änderung vorgeschlagen hat, nach welcher es in dieser Konstellation keinen Stichkampf mehr gibt.

Ein kurioses und bitteres Saisonende, aber ganz so gedrückt war die Stimmung anschließend auch wieder nicht. Natürlich steigt niemand gern ab, aber da sich schon eine Verschlechterung der Personallage andeutet, macht es vielleicht sowieso mehr Spaß, in der Landesliga vorne mitzuspielen, als wieder mit Ach und Krach eine Etage höher ums Überleben zu kämpfen. Leichtere Gegner, kürzere Fahrten, längere Bedenkzeit... es gibt schlimmere Schicksale!

Um die Tradition zu wahren, hier noch die Einzelleistungen im Überblick (es war ja nicht alles schlecht): Matthias konnte einen Sieg und fünf Remisen (u.a. gegen GM Ninov) verbuchen. Von seiner Solidität und Abgeklärtheit kann so mancher etwas lernen. Karsten war von seiner Bestform ein gutes Stück entfernt, aber 2,5/6 sind noch im Rahmen. In der nächsten Saison wird er aus beruflichen Gründen leider kaum noch spielen können. Martin holte mit starken 5/8 die meisten Punkte. Fortuna war ihm nicht ganz abhold, aber mit sieben (!) Schwarzpartien muss man so viele Punkte erst einmal holen. Jonathan war aus Studiengründen nur Ersatzspieler und steuerte 1/3 gegen starke Gegnerschaft bei. Michael spielte teilweise ganz gut, traf aber im kritischen Moment immer wieder genau die falsche Entscheidung, so dass magere 1,5/7 herauskamen. Lauritz spielte wie üblich mit hohem Risiko, mal mit gutem, mal mit schlechtem Ende (3,5/7). Jörg startete mit 3/3 exzellent, aber gegen Ende ging ihm die Puste aus (4/7). Ähnliches gilt für Kai, der mit 2/2 begann und am Ende mit 2,5/6 dastand. Auch Bernd hat sich am 8. Brett sicher mehr erhofft als 3/8. Um positiv abzuschließen, sei noch Nils Müller erwähnt, der nach 1,5/2 in der Verbandsliga weiter ungeschlagen ist und nun auch als Stammspieler ernsthaft in Betracht kommt. Dass man Jugendliche in der Landesliga leichter einbauen kann, ist ein weiterer Vorteil. Im Grunde ist doch alles bestens :-)


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